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Angelika Reikerstorfer

 |  SZ-Ybbs

In Memoriam Angelika Reikerstorfer
(Ein Nachruf von Hans Müller)

Angelika Reikerstorfer war schwer krank, die Krebserkrankung war ihr auch anzusehen. Aber sie hatte den Kampf dagegen aufgenommen und war positiv gestimmt. Unaufgeregt, nie klagend, wie es ihre Art war. Die Reha in Baden war erfolgversprechend verlaufen. Doch dann trat eine Verschlimmerung ein und sie kam ins Krankenhaus in Amstetten, wo ihr Herz am Dienstag, dem 1. März, zu schlagen aufhörte. Wir alle waren erschüttert, als die Todesnachricht kam, und konnten es nicht fassen. Als nun meine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen an mich herangetreten sind mit der Frage, ob ich einen Nachruf für Angelika verfassen könnte, war es mir ein großes Bedürfnis, diese ehrenvolle Aufgabe zu übernehmen. Sie war mir eine liebevolle Kollegin und enge Freundin, wie für viele andere auch.

Frau Prof. Mag. Dr. Angelika Reikerstorfer. Wie ist ihr Leben verlaufen, wer war sie und warum wurde sie von so vielen Menschen geliebt und geschätzt? Selbst aus einer Akademikerfamilie stammend, ihre Eltern waren beide Gymnasialprofessoren, wurde ihr der Lehrberuf praktisch in die Wiege gelegt. Akademische Titel waren ihr nicht wichtig. Den Titel Oberstudienrätin, der ihr zugestanden wäre, hatte sie abgelehnt (Auf der Visitenkarte wäre es auch eng geworden). Wichtig war ihr der Lehrberuf. Sie war eine Lehrerin mit Leib und Seele. Wie beliebt sie war, zeigen auch die vielen Beileidsbezeugungen ehemaliger Schüler und Schülerinnen in den sozialen Medien. Angelika strahlte im Unterricht eine natürliche Autorität aus. Es ist nicht überliefert, dass sie einmal laut geworden wäre, um für Ruhe im Unterricht zu sorgen. Ihre Unterrichtsfächer waren Deutsch und Französisch, wobei ihre Vorliebe für Französisch kein Geheimnis war. Für sie bestand der Spracherwerb nicht nur aus dem Pauken von Grammatik und Vokabeln, sondern sie vermittelte auch die Kultur des Landes. Angelika war eine Botschafterin Frankreichs. Auf den zahlreichen Frankreich-Reisen, meist anlässlich der jährlichen Sprachwochen an der Côte d’Azur, war es Frau Prof. Reikerstorfer immer ein Anliegen, die SchülerInnen für das Land und für die französische Lebensart zu begeistern. Diese Reisen mit ihr werden mir immer in Erinnerung bleiben. Von Angelikas Vorliebe für alles Französische profitierten auch ihre zahlreichen Freunde, die sie à la française bekocht hat. Ich erinnere mich auch daran, wie die leidenschaftliche Köchin einmal anlässlich eines internationalen Projekttreffens in der Küche des Gasthof Mang den Kochlöffel geschwungen hat, um für 60 Jugendliche und LehrerInnen aus aller Herren Länder ein französisches Menü auf die Tische zu zaubern: Soupe à l’oignon - Coq au vin – Moussse au chocolat.

Auf den ersten Blick verlief Angelikas Leben sehr geradlinig: 1953 in Ulmerfeld geboren, in St. Pölten aufgewachsen, dort in die Schule gegangen, 1972 maturiert, anschließend Studium der Romanistik und Germanistik an der Universität Wien, Sponsion zur Magistra 1977, 2002 Abschluss des Doktoratsstudiums der Philosophie, Doktorarbeit über den französischen Schriftsteller Francis Carco, Lehrtätigkeit am Schulzentrum Ybbs von 1978 – 2013

Bei aller Leidenschaft für den Lehrberuf war die Familie aber das Wichtigste im Leben von Angelika. Im Jahr 1976 heiratete sie Mag. Gerhard Reikerstorfer, mit dem sie 46 Jahre verheiratet war. 1977 kam Tochter Verena zur Welt, 1981 Sohn Christoph. Ihre Enkelkinder waren ihr Ein und Alles: Pauli, August und Otto in Tirol und Laura und Carina in Ybbs. Mit ihnen zu kochen, zu backen, zu basteln und zu musizieren machte ihr besonders viel Freude. „Sie war in der Familie immer um die anderen, nie um sich selbst besorgt“ (Zitat Gerhard). Unser tiefes Mitgefühl gilt der Familie. Ihr Schmerz muss groß sein.

Neben Beruf und Familie, blieb da noch Platz für etwas anderes? Schon in jungen Jahren zeigte sich ihr Wirken für die Gemeinschaft, über das Familiäre und Berufliche hinausgehend. Sie war Jungschar-Führerin und organisierte Jugendveranstaltungen für die St. Pöltner Pfarre. Das setzte sich dann auch in Ybbs fort. Sie engagierte sich im Ybbser Kulturverein OKAY, war dort jahrelang im Vorstand tätig. Es entsprach auch ihrem christlichen Weltbild, sich für die sozial Schwachen in der Gesellschaft einzusetzen. Als 2015 die Flüchtlingswelle Österreich erreichte, war sie unter jenen, die tatkräftig an der Integration von MigrantInnen mitwirkte, indem sie Deutsch-Sprachkurse für AusländerInnen leitete und in Kursen auch die „Lizenz zum Prüfen“ (Deutsch-Prüfungen zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung) erwarb. Auch nach ihrer Pensionierung blieb Angelika eine Lehrerin. Sie war von Beginn an als aktives Mitglied im Verein für Integration „Vielfalt nutzen in Ybbs“ engagiert und regelmäßig im „Café miteinander“ in der Ybbser Herrengasse anzutreffen, wo sie die Begegnung mit Menschen ausländischer Herkunft suchte. Zu dieser Weltoffenheit und dem Interesse für fremde Kulturen haben auch die vielen Reisen, die sie vor allem mit ihrem Ehemann Gerhard unternommen hatte, beigetragen. Sie hat nicht nur ganz Europa bereist, sondern war in der ganzen Welt unterwegs: Afrika, Asien (Myanmar, Kambodscha, Türkei, Russland, sowjetische Nachfolgestaaten), Süd- und Mittelamerika (Brasilien, Mexiko), Steiermark (legendäre jährliche Radtouren mit ehem. KollegInnen)

Dieser Nachruf hätte schon längst enden sollen. Die 500 Wörter, die man mir vorgegeben hatte, sind bei weitem überschritten. Angelika wäre es ohnehin nicht recht gewesen, dass man, ihre Person betreffend, so dick aufträgt. „Ja, Geli, da musst du durch. Ich nehme mir das Recht weiterzuschreiben, weil sonst würden viele nicht erfahren, dass du auch eine Ausbildung zur Musiklehrerin im Fach Orgel (Kirchenmusik) absolviert hast“. Neben dem Studium in Wien war sie auch als Organistin in der St. Pöltner Franziskaner Kirche tätig. Eine Tätigkeit, die sie auch in Ybbs weiterhin ausgeübt hat. Viele heilige Messen, Hochzeiten, Requiems hat sie mit ihrer Orgelmusik untermalt. Man hörte ihre Musik, aber man sah die Organistin nicht auf der Chorempore. Viele wussten nicht, dass Angelika an der Orgel saß. Aber der Applaus war ihr nicht wichtig. Sie wollte nie im Mittelpunkt stehen. Dass sie aber an einem Faschingsdienstag diese Welt verlassen hat, hat vielleicht auch einen tieferen Sinn. Angelika war kein Kind von Traurigkeit und verstand es das Leben zu genießen.

Angelika war ein wunderbarer Mensch, sagt Gerhard, ihr Ehemann, und eine Freundin, der man immer vertrauen konnte und die einen immer aufrichtete, sagen ihre Freunde und Freundinnen.

Wir vermissen dich!