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Exklusivvorstellung für das Schulzentrum Ybbs – „F. Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig“

 |  SZ-Ybbs  | 

Am Donnerstag, dem 7. März 2024, kamen alle Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte in den Genuss einer besonderen Theatervorstellung. Auf Einladung des Kreativclubs des Schulzentrums besuchte Nikolaus Habjan mit seinem Figurentheater „F. Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig“ die Donaustadt.

Auf der Bühne der Stadthalle in Ybbs beeindruckte der Regisseur, Puppenspieler und Kunstpfeifer mit der Lebensgeschichte von Friedrich Zawrel, einem Überlebenden des Kinder-Euthanasie-Programms in der Zeit des Nationalsozialismus. Auf berührende Art erzählte der Künstler mit seinen selbst gebauten Puppen, wie Friedrich Zawrel als sogenanntes Kind des Spiegelgrundes überlebte und sich letztendlich nach vielen Jahren gegen seinen Peiniger Dr. Heinrich Gross wehrte. Dieser war als überzeugter Nationalsozialist für über 800 Morde an geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen sowie solchen mit auffälligem Verhalten mitverantwortlich. Nach dem Krieg stieg er in der Republik zu einem der berühmtesten Gerichtsgutachter auf, bis Friedrich Zawrel es schaffte, ein Strafverfahren wegen Mordes gegen ihn anzufachen. Zu diesem kam es aber wegen scheinbar fortgeschrittener Demenz von Dr. Heinrich Gross nie. Am Ende des berührenden Theaterstücks war es mucksmäuschenstill im Saal, so sehr waren die Jugendlichen von der Lebensgeschichte Friedrich Zawrels und der Leistung des Schauspielers gefesselt.

Seit 12 Jahren führt Nikolaus Habjan auf renommierten Bühnen im gesamten deutschsprachigen Raum dieses Theaterstück auf, das er gemeinsam mit Friedrich Zawrel entwickelt hat. Und er hat nicht vor, damit aufzuhören, weil es ein Herzenswunsch von Friedrich Zawrel war, seine Geschichte für junge Menschen zu erzählen.

Nach der Vorstellung nahm sich der Künstler Zeit für ein Gespräch mit interessierten Schülerinnen und Schülern des Schulzentrums und erzählte Details aus der Entstehungsgeschichte des Theaterstücks, für das er und der Regisseur Simon Meusburger 2012 den Nestroypreis für die „Beste Off-Produktion“ erhalten haben, und thematisierte seine besondere Beziehung zu Friedrich Zawrel. Die Tatsache, dass sein Protagonist auch einige Zeit im Therapiezentrum Ybbs verbracht hatte, war ebenfalls Teil des Gesprächs. Auch am nächsten Tag zeigten sich die jungen Leute noch tief beeindruckt von der Aussage der Aufführung, dass „so etwas“ nie wieder in der Geschichte passieren dürfe:

Paul:Das Stück war ein Meisterwerk durch und durch. Ich habe zum Teil vergessen, dass hier Puppen am Werk sind, in die das Leben nur durch die Hand von Habjan eingehaucht wird. Ebenso habe ich noch nie eine solche Stille bei so vielen Leuten erlebt, wie nach diesem Stück. Gänsehaut.

Anna: Ich fand die Darstellung der Geschichte von Friedrich Zawrel durch die Puppen unfassbar emotional und berührend. Teilweise hat es sich so angefühlt, als wären die Puppen zum Leben erweckt worden. Nikolaus Habjan gebührt mein größter Respekt für so eine herausragende Leistung!

Noch lange wird allen Beteiligten auch das Lieblingsgedicht von Friedrich Zawrel  - Was geschieht (Erich Fried) - in Erinnerung bleiben.

Was geschieht
 

Es ist geschehen
und es geschieht nach wie vor
und wird weiter geschehen
wenn nichts dagegen geschieht.

Die Unschuldigen wissen von nichts
weil sie zu unschuldig sind
und die Schuldigen wissen von nichts
weil sie zu schuldig sind.

Die Armen merken es nicht
weil sie zu arm sind
und die Reichen merken es nicht
weil sie zu reich sind.

Die Dummen zucken die Achseln
weil sie zu dumm sind
und die Klugen zucken die Achseln
weil sie zu klug sind.

Die Jungen kümmert es nicht
weil sie zu jung sind
und die Alten kümmert es nicht
weil sie zu alt sind.

Darum geschieht nichts dagegen
und darum ist nichts geschehen
und geschieht nach wie vor
und wird weiter geschehen, wenn nichts dagegen geschieht.